Mit dem Empfang des Segens der Sternsinger*innen treten wir in den "Kreislauf des Segens" ein. Was dies für uns als Empfänger*innen heißt und was es mit dem Segnen als "vornehmste Aufgabe der Getauften" auf sich hat, erfahren wir im Artikel.
In Episode #16 schöpfen Kathi Hofer und Anja Schmidt (Diözese Graz-Seckau) aus ihrem reichen Erfahrungsschatz, der sich über die Jahre als Sternsingerinnen und später als Begleiterinnen aufgebaut hat. Tipps für euch und eure Gruppen inklusive! ;-)
Dreikönigsaktion - Hilfswerk der Katholischen Jungschar
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Am 5. Dezember 2023 war eine Gruppe Sternsinger*innen beim Apostolischen Nuntius in Wien, um den zur 70. Sternsingaktion der Katholischen Jungschar Österreichs von Papst Franziskus erteilten „Apostolischen Segen“ abzuholen[1]. Rund um den 6. Jänner werden dann allein in Österreich wieder ca. 85.000 Kinder unterwegs sein, um den Segen in die Häuser und Wohnungen zu bringen und um Spenden für die Projekte der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar zu bitten. Das ist ein guter Punkt, um innezuhalten und grundsätzlich über das Thema „Segen“ nachzudenken.
Was wir im Deutschen mit „Segen“ wiedergeben, heißt im Hebräischen beracha, im Griechischen heißt das Verb „segnen“ eulogein, im Lateinischen benedicere. Die beiden letzten bedeuten wörtlich übersetzt: „Gutes sagen“ oder „gut-heißen“. Segnen zählt – wie z.B. das Ja-Sagen zu einem anderen Menschen - zu den so genannten „performativen“ Sprechakten: Es informiert nicht bloß über eine Wirklichkeit, sondern verändert und gestaltet sie[2]. Das ist nicht mit einer automatischen Wirkung oder mit Magie zu verwechseln. Segnen ist ein eminent dialogischer Vorgang. Segen fragt nach Antwort und Umsetzung im Leben. Es gibt so etwas wie ein „Zwiegespräch“ des Segens. Der Mensch lässt sich von Gottes Segen berühren und gibt ihn zurück, indem er Gottes Geschenk, Gottes schöpferisches und erlösendes Wirken gutheißt und dafür dankt. So kommt der Segen beim Menschen an.
Wer die Bibel aufschlägt, liest bereits im Schöpfungsgedicht in Genesis 1 vom Segen, den Gott über seine Geschöpfe, Tiere und Menschen spricht. In ihm drückt sich Gottes Fürsorge seinen Geschöpfen gegenüber aus sowie sein Wunsch, dass sie zu einem gelingenden Leben gelangen mögen. Die Antwort der Geschöpfe darauf ist Danksagung und Lobpreis. Das Hebräische verwendet dafür übrigens das gleiche Wort wie für das Segenshandeln Gottes: baruch – „gesegnet“. In der jüdischen Spiritualität spiegelt sich das in mannigfaltigen Segenssprüchen, die das ganze Leben begleiten und sich besonders in Lob und Dank für Essen und Trinken ausdrücken[3]. Gottes Volk lebt vom Segen Gottes und gibt ihn Gott zurück. Gottes Volk lebt vom Segen Gottes und gibt ihn weiter an andere. Die Menschen der Bibel wissen jedoch auch um die Gefährdung des Lebens, um die vielfältigen Unheilszusammenhänge, um den „Fluch“ (vgl. Dtn 30,19), der letztlich darin gründet, dass die Menschen ihr Herz von Gott abwenden und nicht im Bund mit Gott stehen, sondern sich anderen Göttern zuwenden (vgl. Dtn 30,17).
An dieser Stelle steht für Christ*innen die Person Jesu: als „Erlöser“ durchbricht er in Kreuz und Auferstehung den Unheilszusammenhang und schlägt eine neue „Bresche“, durch die wir Menschen in den Bereich des Lebens und des Heils eingehen können. Gottes Segen gewinnt durch ihn neu Raum in der Welt[4]. Auch das geschieht nicht automatisch – letztlich gesegnet sind die, die Christus im geringsten Bruder, in der geringsten Schwester dienen. „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters“ – so werden in Mt 25,34 diejenigen angesprochen, die Hungrige gespeist, Fremde und Obdachlose aufgenommen und Kranke besucht haben (vgl. Mt 25,35-36). Gesegnet-Sein ist Frucht von Solidarität und Gerechtigkeit und gleichzeitig ist es Motivation, anderen das Leben unter dem Segen Gottes zu ermöglichen.
Als gläubiger Jude nimmt Jesus Brot und Wein nicht in die Hand, ohne dafür Gott zu loben (vgl. Mt 26,26; Lk 24,30). Im hebräischen Denken „segnet“ er damit Gott, das heißt er preist ihn als den Geber aller guten Gaben.
Bis heute greifen wir das in den Begleitgebeten zur Gabenbereitung auf, wenn es da heißt: „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Du schenkst uns den Wein, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“. Später erbittet der Vorsteher der Eucharistie dann den Segen für die Gaben von Brot und Wein sowie für jene, die die Eucharistie mitfeiern. Lobpreis Gottes, Bitte um Segen und Wandlung greifen hier ineinander. In der Eucharistiefeier werden Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi vergegenwärtigt. In ihr kommt uns Segen zu, wird uns Gutes zugesprochen – und gleichzeitig wird ein Prozess der Wandlung in Gang gesetzt für alle, die diesen Segen bei sich ankommen lassen[5].
Im Katechismus der Katholischen Kirche ist zu lesen: „Vom Anfang bis zum Ende der Zeiten ist das ganze Werk Gottes Segen. Vom liturgischen Gedicht der ersten Schöpfung bis zu den Lobgesängen im himmlischen Jerusalem verkünden die inspirierten Autoren den Heilsplan als eine unermessliche göttliche Segnung“ (KKK 1079[6]). Der größte Segen besteht darin, dass Gott das Mit-Sein mit den Menschen verspricht und sich als Gott-mit-den-Menschen und Gott-für-die-Menschen vorstellt. Auf diesem Hintergrund haben sich vielfältige Formen von Segnungen entwickelt. Göttliche Lebenskraft und befreiendes Mitgehen Gottes wird uns hier zugesprochen. Segnungen (Benediktionen) sind Lobpreis Gottes, des Schöpfers und Erlösers. Neben ihrem Platz in der Liturgie (zu jeder Eucharistiefeier gehört zum Abschluss ein Segen) begleiten verschiedenste Segnungen das Jahr: der Neujahrssegen, der Blasiussegen, der Segen für Liebende zum Valentinstag, die Segnung von Kindern, die Flursegen, der Segen beim Sternsingen. Auch wo es um Dinge – Wohnung, Auto, Motorrad z.B. – geht, ist letztlich der Mensch Ziel des Segens. Der Gegenstand wird gesegnet, aber es geht um den Menschen, der durch den rechten Gebrauch einen guten Weg in der Welt gehen soll[7].
Segnungen von Gegenständen – also der Segen über ein Haus oder eine Wohnung – „sollen Hilfen sein, dass die erlösende Kraft christlichen Glaubens in allen Lebenssituationen ergriffen und wahrgenommen werden kann“[8]. Elisabeth Hann von Weyhern drückt das sehr schön aus: „Der Segen ist ein Grenzgänger. Im Sakralen hat er ebenso seinen festen Platz wie in der profanen Welt“[9]. Die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils hat feierlich festgehalten: „Sakramente und Sakramentalien [Anmerkung: zu denen die Benediktionen zählen] bewirken, dass es kaum einen rechten Gebrauch der materiellen Dinge gibt, der nicht auf das Ziel ausgerichtet werden kann, den Menschen zu heiligen und Gott zu loben“ (SC 61).
Oft verleiblicht sich das Segenswort in verschiedenen Zeichen: gesegnet wird durch Handauflegung, durch Ausbreiten der Hände, durch das Kreuzzeichen, das von den Gesegneten mitvollzogen wird, durch das Besprengen mit Weihwasser, das ein wirkmächtiger Hinweis auf die Taufe ist, die den Bund mit Gott anzeigt und begründet. Diese Zeichenhandlungen leben wesentlich davon, dass sie achtsam vollzogen und auch spürbar werden. Zwei Beispiele: Der Segen im Zeichen des Kreuzes, etwa vom Priester am Ende der Messfeier oder bei der Spendung des Sakraments der Versöhnung, findet seinen Widerhall im aufmerksamen und sorgfältigen Mitvollzug der gesegneten Person. In diesem Zeichen kommt auch zum Ausdruck, dass Gottes Segen „von oben“ herabsteigt und sich dann „horizontal“ zu den anderen Mitgeschöpfen hin ausbreiten soll. Das Kreuzzeichen umspannt den ganzen Menschen und heiligt ihn „bis in die letzte Faser seines Wesens“, indem „Gottes Lebensfülle hereingenommen“ wird „in die Seele und alles darinnen befruchte und weihe“[10]. Oder: In den byzantinisch geprägten Kirchen freuen sich die Menschen, wenn sie wirklich nass werden durch das gesegnete Wasser, ja sie drängen sich absichtlich in die Nähe des Priesters, um das zu erreichen. Dagegen ist in katholischen Kirchen manchmal die Angst zu beobachten, vom Wasser getroffen zu werden oder es wird von Haus aus zu sparsam eingesetzt. Eigentlich schade, weil dadurch die leibhafte Komponente zu wenig greifbar wird.
Manche Gruppen, die zum Sternsingen gehen, tragen das Weihrauchfass mit und beräuchern die Wohnung, sodass der Weihrauchduft stehen bleibt. Das ist genauso ein Zeichen des Segens wie natürlich das Anschreiben oder Anbringen der Formel C+M+B, verbunden mit der Jahreszahl: Christus mansionem benedicat – Christus segne dieses Haus. Neben der Deutung der Buchstaben auf die Namen Caspar, Melchior und Balthasar ist das eine wichtige und gehaltvolle Auslegung der Aufschrift C+M+B. Heute wird oft praktischerweise eine Folie angebracht. Traditionell wird diese Schrift mit gesegneter Kreide auf die Türstöcke geschrieben, um auch dadurch auszudrücken, dass hier sozusagen das Rad des Segnens immer weiter gedreht wird, von einem Segen zum nächsten. In jedem Segen berührt das anfängliche Wirken des Schöpfers neu die Gegenwart und zeigt, dass Gott bleibend tragender Grund und Quelle des Lebens ist.
Hartnäckig hält sich bei vielen Menschen der Eindruck, dass es in erster Linie der Priester ist, der segnet. Dagegen hält der Katechismus der Katholischen Kirche ausdrücklich fest: „Die Sakramentalien [und damit die Segnungen] fallen unter die Zuständigkeit des Priestertums aller Getauften: Jeder Getaufte ist dazu berufen, ein `Segen` zu sein und zu segnen“ (KKK 1669[11]). Segen zusprechen und Segen weitergeben ist vornehmste Aufgabe der Getauften, die darin ihre priesterliche Berufung, die sie in der Taufe empfangen haben, verwirklichen. Alle sind eingeladen, in ihrem eigenen Lebensumkreis Segnende zu sein: Eltern die Kinder, Kinder die Eltern und Großeltern, in Freundschaft und Partnerschaft. Äbtissinnen und Äbte sprechen im Nachtgebet jeden Tag ihren Brüdern und Schwestern den Segen Gottes zu. Wer immer segnet, tut dies nicht aus eigener Vollmacht heraus, sondern Gott ist es, der Anteil an seiner Segensmacht gibt, weil er Mit-Liebende will (nach einem Wort von Johannes Duns Scotus[12]). Wer anderen Segen zuspricht, erbittet ihn von Gott. Romano Guardini sagt: „Von Wesen sind wir Bittende. Segnende werden wir nur von Gottes Gnaden“[13].
Dass sich der Segen nicht in frommen Worten erschöpfen darf, sondern die entsprechenden Taten erfordert sind, versteht sich dabei von selbst. Denn Gottes Segenswillen bezieht sich auf alle Geschöpfe und die Segen bringende Erlösungstat Christi soll die ganze Schöpfung erfassen (vgl. Röm 8,20-22). Wo Menschen heute aus dem Bewusstsein heraus, selbst von Gott gesegnet zu sein, Solidarität und Gerechtigkeit in dieser Welt fördern, lassen sie bereits jetzt die große Verheißung aufstrahlen, wie sie z.B. der Zweite Petrusbrief ausdrückt: „Wir erwarten gemäß seiner Verheißung einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3,13). Am Sternsingen werden diese Zusammenhänge besonders sichtbar: Da werden Kinder in einem Gottesdienst gesegnet und ausgesandt. Da gehen Kinder – Getaufte und Ungetaufte – und bringen Segen durch Wort und Zeichen in die Häuser und Wohnungen anderer Menschen. Da treten Kinder (und Erwachsene) ein für eine gerechtere Welt, für ein gutes Leben aller, für ein Leben in Fülle (vgl. Joh 10,10) und bitten um finanzielle Unterstützung, damit dieses Leben heute schon in Ansätzen an vielen Orten der Erde erfahrbar werden kann. So erweisen sie sich als Gesegnete (vgl. Mt 25,34). Und diejenigen, die den Segen empfangen und ihre Gaben spenden, treten ebenso ein in diesen Kreislauf des Segens. Schließlich sind es die Projektpartner*innen in den Ländern des globalen Südens, die den Segen konkret umsetzen und erfahrbar werden lassen. Segen durch Bildung, Zugang zum Recht, gesunde Ernährung, Empowerment von Frauen und Kindern, Kirche im Dienst der Armen, Friedenstrainings und vieles mehr.
Die Kinder, die in den Ferientagen Sternsingen gehen, erbitten und bringen nicht nur Segen. Sie sind ein Segen. Genau wie die, die sie begleiten, die großzügigen Spender*innen und die Partner und Partnerinnen in anderen Ländern. Alle zusammen aktualisieren die Zusage Gottes, die an Abraham, den „Vater des Glaubens“ (vgl. Röm 4,11f; Hebr 11,8-19) erging: „Ich werde dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein“ (Gen 12,2).
Sr. Dr.in Anneliese Herzig MSsR ist theologische Referentin bei der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs
Der Artikel wurde vor Erscheinen des Schreibens Fiducia supplicans (18. Dezember 2023) verfasst.
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[1] Siehe dazu: https://www.dka.at/sternsingen/happy-birthday-sternsingen
[2] Vgl. zum Ganzen: Art. Segen, in: LThK³, Bd. 9, 394-399.
[3] Vgl. Art. Berakha, in: LThK³, Bd. 2, 238-239.
[4] Vgl. Art. Segen, in: LThK³ Bd. 9, 396.
[5] Siehe dazu: Herzig, Anneliese, Eucharistische Anbetung. Eine Begegnung, die verwandelt, Innsbruck 2018, 117-122.
[6] https://www.vatican.va/archive/DEU0035/__P31.HTM (abgerufen: 17.12.2023).
[7] Vgl. Art. Benediktionen, in: LThK³ Bd. 2, 221-223.
[8] Art. Sakramentalien, in: Lexikon der katholischen Dogmatik, Freiburg 1997, 449-451, hier 450.
[9] https://www.sonntagsblatt.de/artikel/glaube/welche-bedeutung-segen-bibel-christentum-glaube-fluch (abgerufen: 14.12.2023).
[10] Guardini, Romano, Von heiligen Zeichen, Würzburg 1966, 13.
[11] https://www.vatican.va/archive/DEU0035/__P5E.HTM (abgerufen: 17.12.2023).
[12] Hinweise dazu in: Benke, Christoph, Mit Gott an einem Tisch, Innsbruck 2013, 84f.
[13]Guardini 52.