Erfahrungen und Impulse eines Theologisierens mit Kindern.
Der gesamte Artikel von Rainer Oberthür ist hier als Download verfügbar.
Einleitung 1
Wie Kinder ihre großen Fragen zur Sprache bringen – wie Kinder heute Gott zur Sprache bringen: darüber staune ich seit vielen Jahren in meinen regelmäßigen und intensiven Erfahrungen im Religionsunterricht an einer Aachener Grundschule. Für meine Hauptarbeit im Katechetischen Institut des Bistums Aachen als Dozent für Religionspädagogik in der Lehrerfort-, -aus- und -weiterbildung ist das meine unverzichtbare Quelle der Inspiration: Ich kann immer wieder spannende und beglückende Projekte durchführen mit aufgeweckten Kindern, die mir sehr offen begegnen: aufgeklärt, kritisch, nicht aus sozialem Brennpunkt stammend, deswegen sprachlich recht begabt, im engeren religiösen Sinn aber keineswegs übermäßig mit Glaubenswissen ausgestattet.
Und davon will ich hier erzählen: Also es folgt kein Vortrag mit abgesicherten Analysen, wie Kinder heute Gott zur Sprache bringen (wer kann das schon wissen?), wohl aber berichte ich viele subjektive Erfahrungen und authentische Beispiele, wie wir Kindern dabei helfen können, gemeinsam Gott zur Sprache zu bringen. Sie sollen Mut machen, Kinder ernst zu nehmen und ihnen viel zuzutrauen – denn dann werden sie stark und trauen sich; dann fallen ihnen Worte und Bilder ein, die sie selbst nicht erwartet hätten.
Die Beispiele, die ich vorbringe, sind komprimierte Highlights, wie man sie nicht täglich erlebt.
Im Folgenden werden vier Aspekte religiösen Erfahrens und Lernens entfaltet, unterschieden und zugleich aufeinander bezogen. Entlang dieser Aspekte entwickle ich an sieben Stellen Grundsatzgedanken, die die Beispiele reflektieren und – umgekehrt – durch die Beispiele veranschaulicht werden.
Niemals geht es darum, dass jemand es genauso mit Kindern nachmachen sollte: Lassen Sie sich einfach anregen und inspirieren, mit den anvertrauten jungen Menschen eigene Wege zu finden und zu gehen!
Es ist die Welt des Religionsunterrichts und die Welt der Grundschule, von der ich erzähle. Ich selbst bin aus Prinzip zurückhaltend mit Übertragungen in andere Bereiche. Ich lasse mir aber gern sagen: Ich habe mit Ihren Impulsen auch in der Gemeinde bzw. mit Jugendlichen gearbeitet – und es war wunderbar.
Einleitung 2
Ich beginne etwas unkonventionell mit dem schönen Satz: „Ich habe keine Lösung, aber ich bewundere das Problem.“
Dieser Satz ist vielfach deutbar: etwa als sympathischer Ausdruck von Ratlosigkeit oder als spöttisches Leitmotiv einer „Generation Doof“, die sich ohne lästige Grundkenntnisse mit einem eher ungepflegten Halbwissen be- und vergnügt.
Als Religionspädagoge kann ich den Spruch natürlich auch als charmantes Lob des Fragens und Staunens interpretieren, als humorvolle Aufforderung, Kinder und Jugendliche immer wieder als Philosophen und Theologen ernst zu nehmen und aus ihnen herauszukitzeln, was in ihnen steckt. Stellen wir nicht immer gleich die Antwort, die Lösung, das Ergebnis in den Mittelpunkt, sondern freuen wir uns über die Fragen, die uns gemeinsam einfallen, und feiern wir sie eigenständig, kosten wir die Fragen und das Fragen aus. Ein Kind brachte es bei uns einmal auf den Punkt: Wer fragt, weiß schon etwas!
Menschen sind die einzigen Lebewesen, die Fragen stellen und auch wissen, dass sie Fragen haben. Schon Kinder stellen große Fragen, weil sie Menschen sind: Warum gibt es nicht nichts? Woher kommt das Leben? Wer hat den Urknall gemacht? Was kommt nach dem Tod? Wenn ihr sterbt, bin ich dann noch ganz? Wenn ich sterbe, werde ich dann aus dem gezogen, der ich bin? Ein Gegenprogramm zu einem solchen Lernen durch Fragen müsste ein anderes Motto haben: „Eine Lösung hätte ich, aber was war eigentlich das Problem?“
Meine Sorge wäre aber, dass dann die Kinder oder spätestens die älter gewordenen Jugendlichen später meinen: „Wenn das die Lösung ist, dann hätte ich gern mein Problem zurück!“
Der gesamte Artikel ist hier als Download verfügbar.
Weitere Infos über die Arbeit von Rainer Oberthür und viele Download-Materialien: www.rainer-oberthuer.de
Quelle: W. Krieger / B. Sieberer: Gottes.Kinder.Welten, Linz (Wagner) 2014, S. 97 – 121 (http://www.wagnerverlag.at/content/?product=gottes-kinder-welten)