Die Inhalte des Artikels basieren auf der Diplomarbeit, die die Autorin im Zuge ihres Fachtheologiestudiums an der Universität Graz verfasst hat. Titel: „Zur Globalität der Frage nach Geschlechtergerechtigkeit. Erkenntnisse aus dem vatikanischen jugendsynodalen Prozess 2017-2019.“
Da Papst Franziskus in den letzten Jahren viele Bischofssynoden und aktuell einen weltweiten synodalen Prozess ausgerufen hat, hat das Thema hohe Aktualität. Der Titel des Prozesses, der von 2021-2023 andauert, lautet: „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung.“[1] Zu diesem Prozess gehört nicht nur die ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode im Herbst 2023, sondern es gehört ein langer und intensiver Präsynodaler Prozess dazu. Dabei sollen alle Menschen die Möglichkeit bekommen, mitreden zu können, zuerst in jeder Diözese und später sollen Kontinentalversammlungen stattfinden und abschließend die ordentliche Generalversammlung.[2]
In den letzten Jahren fanden sehr viele Bischofssynoden statt und oftmals wird kontrovers darüber diskutiert, welchen Nutzen diese hätten und ob durch diese Änderungen in der römisch-katholischen Kirche geschehen könnten. Unter Papst Franziskus finden Bischofssynoden sehr regelmäßig statt und rund um die Jugendsynode im Herbst 2018 gab es einige kirchenrechtliche Änderungen, welche wesentlich sind für die breitere Beteiligung von unterschiedlichsten Menschen. Daher wird zu Beginn dieses Artikels ein kurzer Exkurs ins Kirchenrecht und die Normen rund um Bischofssynoden gemacht. Außerdem werden die Änderungen durch Papst Franziskus dargestellt. Anschließend werden die partizipativen Prozesse während eines synodalen Prozesses exemplarisch anhand der Bischofssynode zum Thema Jugend erörtert und abschließend folgen daraus Ableitungen für aktuelle und zukünftige synodale Prozesse.
Entstehung der Bischofssynode und Änderungen durch Papst Franziskus
Die ständige Bischofssynode wurde im II. Vatikanischen Konzil von Papst Paul VI. angekündigt und am 15. September 1965 durch Motu Proprio Apostolica sollicitudo eingesetzt.[3] Bereits in der Vorbereitungszeit des II. Vatikanischen Konzils war immer wieder das Thema vorgebracht worden, dass es eine häufigere Zusammenkunft der Bischöfe aus unterschiedlichen Ländern geben sollte, damit der Austausch erleichtert und verbessert würde. Hinter diesen Überlegungen stand die Frage, wie die Wirksamkeit der bischöflichen Kollegialität nach dem II. Vatikanum gesichert werden kann.[4]
Am 15. September 2018 hat Papst Franziskus die Konstitution Episcopalis Communio[5] erlassen. Dieses Dokument regelt die Synode neu und soll einen positiven Beitrag für die Austauschmöglichkeiten der Bischöfe leisten.[6] Als Erklärung für die Änderungen führt Papst Franziskus in der Konstitution Episcopalis communio an, dass er Bischofssynoden besonders seitdem er Papst ist beobachtet hat und diese immer weiter weiterentwickelt werden müssen.[7] Schließlich sagt er über die Bischofssynode: „Auch die Bischofssynode muss immer mehr zu einem bevorzugten Instrument des Hörens auf das Volk Gottes werden. (…)“[8] Damit die Bischofssynode immer mehr Ausdruck einer synodalen Kirche wird.[9]
In diesem Schreiben legt Papst Franziskus erneut fest, dass jede Synode aus drei Phasen besteht: die Vorbereitungsphase, die Phase der Diskussion und die Phase der Implementierung. Bei der Vorbereitungsphase ist nun festgeschrieben, dass das Volk Gottes vielfältig befragt und eingebunden werden muss.[10] Die Synodenversammlung wird somit verlängert und meint nun den gesamten synodalen Prozess von der Vorsynodalen Phase bis zum Ende der Postsynodalen Phase, somit werden die Gespräche, Beiträge und Diskussionen aller beteiligten Personen im synodalen Prozess wertgeschätzt und in Verbindung und Ergänzung der Beiträge der Bischöfe gesehen.[11] Diese Aufwertung der Vor- und Nachbereitungsphase wurde bereits bei der Jugendsynode erprobt, wo die Vorsynode der Jugendlichen einen durchaus großen Stellenwert erhalten hat. Das Internationale Jugendforum hat in der Nachbereitungsphase gemeinsam mit der Vorsynode die Abstimmungen der Bischöfe gerahmt und so eine etwas vielfältigere Laienbeteiligung geschaffen.
Der jugendsynodale Prozess 2017-2019
Der vatikanische jugendsynodale Prozess fand von 2017-2019 statt und umfasst unter anderem die Vorsynode im März 2018, an der 300 junge Menschen aus der ganzen Welt teilgenommen haben. Darüber hinaus gehören zu diesem Prozess die Synodenversammlung selbst, welche im Oktober 2018 in Rom stattgefunden hat, sowie das nachsynodale Treffen welches im Juni 2019 in Rom abgehalten wurde. Bei dem nachsynodalen Treffen waren erneut ca. 300 junge Menschen aus der ganzen Welt anwesend.
Da ich bei diesen unterschiedlichen Ereignissen persönlich beteiligt und in Rom anwesend war, konnte ich Einblicke erhalten über die Zusammenarbeit der jungen Menschen und der Bischöfe und wie dadurch Themen beeinflusst werden. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung habe ich mich dabei besonders dem Thema „Geschlechtergerechtigkeit“ gewidmet, da dieses eines der wichtigsten Themen unter den jungen Menschen war. Die Prozesse und die gelingende sowie misslingende Zusammenarbeit bzw. Partizipation werden an diesem Thema gut erkennbar.
Es haben sich vier Thesen zum Thema Geschlechtergerechtigkeit herausgebildet:
1. Globalität des Themas
These 1: Das Thema Geschlechtergerechtigkeit ist für die Weltkirche relevant und nicht auf Mitteleuropa oder einzelne andere Regionen beschränkbar.
Es zeigt sich, dass das Thema Geschlechtergerechtigkeit für junge Menschen hohe Relevanz hat. In der Vorsynode der Jugendlichen wurde das Thema sehr vielfältig und intensiv diskutiert und war eines der dominantesten Themen überhaupt. Dabei ging es einerseits um Frauen in Führungspositionen, weibliche Vorbilder in der Kirche und auch um die Frage, wie Frauen ihre Berufungen in der Kirche finden und leben können. Diese Fragestellungen wurden von 300 jungen Menschen aus der ganzen Welt diskutiert und als Wichtig erachtet. Bei der Nachsynode der Jugendlichen wurde ebenfalls über Geschlechtergerechtigkeit diskutiert und besonders die Rückmeldungen, die ich auf meine Rede erhalten habe, zeigen die Dimensionen dieses Themas auf.
2. Offener Austausch
These 2: Junge Menschen reden, diskutieren und tauschen sich über das Thema Geschlechtergerechtigkeit aus. In der Gesprächskultur und Intensität ist ein Unterschied zur Bischofssynode erkennbar.
Bei der Analyse der unterschiedlichen Dokumente der Vorsynode, der Bischofssynode selbst, des Vorbereitungs- und Abschlussdokuments, sowie von Christus vivit ist erkennbar, dass manche Begriffe wie z.B. Gender, LGBT, Frauen, Missbrauch, Sexualität unterschiedlich oft vorkommen. Manche sind im Verlauf des synodalen Prozesses gänzlich verschwunden, oder eine Bedeutungsverschiebung ist passiert. Ein Beispiel dafür ist, dass besonders von den jungen Menschen viel über Gender/Geschlecht gesprochen wurde. Das Thema Sexualität wurde von den jungen Menschen ebenfalls diskutiert, jedoch hatte dieses Thema weniger Gewicht. In den Dokumenten der Bischöfe kommt das Thema Sexualität öfter vor als das Thema Gender und Frauen und somit ist hier ein Unterschied zwischen den jungen Menschen und der Bischofssynode erkennbar. Einzelne Bischöfe setzten sich in ihren Beiträgen bewusst für das Thema Frauen in der Kirche ein, jedoch wurde weniger über das Thema gesprochen, als dies z.B. bei der Vorsynode der Fall war.
3. Unterschiedliche Kommunikationsweisen
These 3: Die Themen der jungen Menschen auf der ganzen Welt sind sehr ähnlich, jedoch unterscheiden sich die Arbeits- und Kommunikationsweisen, dies trifft auch beim Thema Geschlechtergerechtigkeit zu.
Unabhängig von den Problemen, die junge Menschen in ihren Herkunftsländern haben, wurde von allen jungen Menschen festgestellt: „Wir wollen mehr Platz in der Kirche haben, wollen besser gehört werden und wollen mehr Verantwortung übernehmen!“ Dieses gemeinsame Anliegen war die Grundlage für alle weiteren Diskussionen in der Vorsynode. Beim Thema Geschlechtergerechtigkeit wurden besonders die unterschiedlichen Arbeits- und Kommunikationsweisen spürbar. Das bedeutet, dass manche Diskussionen über das Thema nicht in die Protokolle aufgenommen wurden, oder dass manche junge Menschen nur im privaten Gespräch ihre Meinung zu dem Thema gesagt haben.
Es hat sich gezeigt, dass die unterschiedlichen Arbeits- und Kommunikationsweisen in allen Bereichen aufzufinden und damit gewisse Herausforderungen verbunden sind, jedoch gibt es gemeinsame Anliegen. Die Herausforderungen haben dabei die unterschiedlichsten Ursachen und beziehen sich zum Teil auf die Zusammenarbeit unter den jungen Menschen und zum Teil auch auf die Zusammenarbeit mit Klerikern.
4. Verhinderung des Dialogs durch Strukturen
These 4: Manche Strukturen und Gegebenheiten in einzelnen Ländern oder Gebieten verhindern, dass die Diskussionen und Gesprächsbereitschaft von jungen Menschen erkennbar oder für die Öffentlichkeit sichtbar werden.
Diese These hat sich in meinem Kopf während des ganzen jugendsynodalen Prozesses entwickelt und wurde dann durch meine Erfahrungen bei der Nachsynode, nachdem ich meine Rede gehalten hatte, in einer Dichte bestätigt, die ich mir zuvor nicht vorstellen konnte. In der Rede habe ich mich zu den Themen Geschlechtergerechtigkeit, Frauenordination und Nachhaltigkeit geäußert.
Nachdem ich die Rede gehalten hatte kamen über 30 Frauen aus der ganzen Welt zu mir und bedankten sich bei mir oder gaben mir eine längere persönliche Rückmeldung. „Einige dieser Frauen sagten dabei, dass sie nicht applaudieren konnten, da dies die zweite Person ihres Herkunftslandes sehen hätte können und wenn das zu Hause bekannt werden würde, dann hätte dies weitreichende Folgen.“ Eine andere Frau meinte: „Im Herzen habe ich gejubelt, in echt konnte ich es leider nicht. Ich möchte, dass du das weißt!“
Einige Personen betonten in ihren Rückmeldungen, dass sie nichts zum Thema Geschlechtergerechtigkeit sagen könnten, denn die Machtstrukturen in ihren Diözesen funktionieren noch so gut, dass Missbrauch kein vergangenes Thema ist, sondern ein hoch aktuelles. Die Frauen hätten Angst, dass sie selbst unter Druck gesetzt oder missbraucht würden, wenn sie so etwas offen ansprechen würden.
Die Reaktionen zeigen, dass diese Frauen ihre eigene Meinung nicht mitteilen und ihr Übereinstimmen mit anderen Meinungen nicht äußern können. Etwas zugespitzt formuliert könnte man behaupten, dass diese Frauen in der Kirche nicht nur keinen Platz finden, wo sie sich entfalten und etwas mitgestalten können, sondern vielmehr noch, dass die kirchliche Struktur den Frauen ihre Sprache nimmt.
Was bleibt nun von der Jugendsynode und welche Schlüsse ziehe ich aus all diesen Erfahrungen für aktuelle und zukünftige synodale Prozesse?
1. Prophetische Kraft der Jugend?![12]
Im Abschlussdokument der Synode wird in Zusammenhang mit den jungen Menschen von einem locus theologicus gesprochen, an welchem Gott ein Stück weit erfahrbar oder erkennbar ist.[13] Außerdem wird im Sinne des zweiten Vatikanischen Konzils von den „Zeichen der Zeit“ gesprochen, welche unter anderem durch junge Menschen erfahrbar werden können. Es wird also die prophetische Kraft der Jugend von der Bischofssynode selbst festgehalten und im Abschlussdokument verschriftlicht.
Wenn ich all diese Textpassagen und Eindrücke kombiniere, dann entsteht das Bild von einem neuen Blickwinkel, der nicht mehr davon bestimmt ist, dass junge Menschen die Zukunft der Kirche sind, sondern auch ihre Gegenwart, dass sie daher ernstgenommen und ihre Meinungen gehört und bedacht werden und sie in Entscheidungsprozessen eine Rolle spielen.[14]
2. Und jetzt? Der Kampf der Handlungs(un)fähigkeit!
Durch die persönlichen Erfahrungen rundum die Jugendsynode habe ich gemerkt, dass synodale Prozesse immer ein Drahtseilakt zwischen Handlungsfähigkeit und Handlungsunfähigkeit sind. Durch den Weg der Synodalität, den Papst Franziskus eingeschlagen hat, habe ich den Eindruck, dass sich vieles ändern könnte. Bereits im jugendsynodalen Prozess waren viele Momente gegeben, in denen das Gefühl von Aufbruch, Umbruch und Neuanbruch vorhanden war.
3. Was bleibt?
Persönlich bleibt mir vor allem, dass mir die Jugendsynode aufgezeigt hat, warum der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche unumgänglich ist. Für mich bleibt auch die Frage, wie die in den vier Thesen aufgezeigten Prozesse sichtbar gemacht werden können und wie es ermöglicht werden kann, dass alle Menschen ihre Meinungen äußern können, ohne dass sie daraus negative Folgen ziehen.
Am Ende möchte ich aus meiner Perspektive sagen, dass die prophetische Kraft der jungen Menschen und die Bestimmung als locus theologicus[15] ernstgenommen werden müssen. Durch junge Menschen werden die Zeichen der Zeit erkennbar und für die Kirche können sich neue Wege eröffnen. Die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit darf daher nicht mehr als mitteleuropäische Thematik abgewertet werden, sondern es braucht einen dreifachen Unterscheidungsprozess im Wahrnehmen – Interpretieren – Wählen, welcher die Stimmen der Gegenwart und der Zukunft der Kirche mit etwas Risikobereitschaft für eine junge Kirche verbindet. Damit die unbedingte Liebe Gottes, welche allen Menschen entgegenkommt, neu erfahrbar wird und die christliche Botschaft nicht durch strukturelle Gegebenheiten für manche Menschen überschattet oder in der verfassten Kirche nicht erkennbar wird. Es braucht einen vielfältigen Dialog, sowie Diskurs, die prophetische Kraft der Jugend und einen gemeinsamen Unterscheidungsprozess damit dies gelingen kann und die Kirche als „Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes“ erfahrbar wird. (Vgl. LG 1/GS 42)
Zur Autorin: Mag.a Eva Wimmer kommt gebürtig aus Oberösterreich und hat in Graz katholische Fachtheologie studiert. Bei der Vorsynode der Jugendlichen sowie dem nachsynodalen Treffen in Rom war sie die Vertreterin der österreichischen Bischofskonferenz. Während der Synodenversammlung 2018 war sie als Jugendkorrespondentin und Beraterin des österreichischen Jugendbischofs Stephan Turnovszky in Rom. Von 2018-2020 war sie Bundesvorsitzende der Katholischen Jugend Österreichs. Aktuell ist sie als pastorale Mitarbeiterin in der Diözese.
[1] Wer mehr über diesem Prozess wissen möchte, findet Informationen unter: https://www.katholisch.at/synode oder https://www.synod.va/en.html.
[2] Vgl. Generalsekretariat für Bischofssynoden: Für eine synodale Kirche, Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung. Vorbereitungsdokument 2021.
[3] Vgl. Del Re, Niccolò: Bischofssynode, Augsburg 1998, S. 79–81.
[4] Vgl. Aymans Winfried, Bischofssynode, in: LThK3 II 1994, S. 502–503.
[5] Vgl. Franziskus: Episcopalis Communio.
[6] Vgl. Galgano, Mario: Vatikan erlässt neue Geschäftsordnung.
[7] Vgl. Franziskus: Episcopalis Communio, Nr.5.
[8] Franziskus: Episcopalis Communio, Nr 6.
[9] Vgl. Franziskus: Episcopalis Communio, Nr. 6.
[10] Vgl. Franziskus: Episcopalis Communio, Nr. 7.
[11] Vgl. Bier, Georg: Die Bischofssynode, Essen 01/2020, 342/3.
[12] Eine Literaturempfehlung zu diesem Thema ist: Fuchs, Ottmar: Prophetische Kraft der Jugend?, Freiburg im Br.: Lambertus Verlag 1986.
[13] Bischofssynode: Abschlussdokument, 27.10.2018, Nr. 64.
[14] Vgl. CV Nr. 64.
[15] Vgl. Bischofssynode: Abschlussdokument, 27.10.2018, Nr. 64.